Bis Mai 2015 wurde die Petition an die Bremische Bürgerschaft “Keine geschlossene Unterbringung für junge Menschen im Rahmen der Jugendhilfe” von Vielen mitgezeichnet.
Initiiert wurde sie von Olaf Emig, Kriminologe und Sozialpädagoge, Lehrbeauftragter an der Hochschule Bremen, Koordinator zur Vermeidung von Jugendarrest und U-Haft in Bremen und wissenschaftlicher Mitarbeiter der grünen Bürgerschaftsfraktion im Untersuchungsausschuss “Kindeswohl”:
“Keine geschlossene Unterbringung für junge Menschen im Rahmen der Jugendhilfe”
Die Unterzeichner (im Folgenden „wir“) fordern von der Bremer Bürgerschaft, sie möge ihre zuletzt mehrheitlich befürwortende Haltung zur Geschlossenen Unterbringung (GU) von jungen Menschen im Rahmen der Jugendhilfe aufheben. Wir fordern den Senat auf, die Schaffung einer Geschlossenen Einrichtung zu stoppen.
Im Einklang mit den Stellungnahmen der Bremer Flüchtlingsgruppen, Pro Asyl, der Bremer Hoppenbank e.V, dem Kriminalpolitischen Arbeitskreis Bremen, der Bremer Wohlfahrtsverbände, namhafter JuristInnen, KriminologInnen und SozialwissenschaftlerInnen wird die GU von minderjährigen Jugendlichen abgelehnt, zumal das Subsidiaritätsprinzip des Vorrangs der milderen Intervention nicht eingehalten worden ist.
Seit Monaten berichten die Medien in Bremen über Probleme und Schwierigkeiten einzelner Kinder und Jugendlicher, die alleinstehend und unbegleitet als minderjährige Flüchtlinge nach Bremen gekommen sind. Ohne Zweifel machen und vor allem haben diese Jugendlichen Probleme, die das Jugendhilfesystem in Bremen herausfordern. Aber die Art und Weise der Berichterstattung ist problematisch, da ohne Hintergrunddarstellung des ökonomisch und strukturell defizitären aufgestellten Jugendhilfesystems eine vorurteilsfreie Einschätzung nicht möglich ist.
Das Bremer Jugendhilfesystem ist völlig überlastet und nur noch bedingt handlungsfähig. Dies gilt in besonderer Weise für das stationäre Hilfesystem, welches seit Jahren schon nicht mehr in der Lage ist, Bremer Kinder und Jugendliche in einem heimatnahen Setting im Rahmen der Inobhutnahme zu versorgen. Durch die steigende Anzahl junger Flüchtlinge hat sich die ohnehin schon bestehende Überlastung noch zugespitzt.
Junge Flüchtlinge, die durch Bürgerkrieg, Gewalt oder Armut gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen und damit auch alle sozialen Bezüge verlieren haben, bedürfen unserer Hilfe und Solidarität.
Eine Unterbringung in zweifelhaften Hotels, in jugendgefährdenden Sammelunterkünften(ZAST) für Erwachsene, die Ignoranz vorgeschriebener Jugendhilfestandards sowie die Verletzung der UN-Kinderrechtskonvention finden wir nicht vertretbar.
Der Einzug der Jugendhilfe auf dem Gelände und in den Räumlichkeiten einer Justizvollzugsanstalt für Erwachsene widerspricht nicht nur dem Trennungsgebot von Jugendlichen und Erwachsenen, sondern stellt auch einen Tabubruch hinsichtlich einer integrativ ausgerichteten Pädagogik dar.
Von den politisch Verantwortlichen wird negiert, welche ernüchternden Erfahrungen mit der GU in Bremen (Ellener Hof, Isenbergheim Kornstr.) und anderswo wie z.B. in Hamburg bis in die jüngste Zeit gemacht worden sind. Die GU in der Feuerbergstr. in Hamburg sowie die später die vom Hamburger Jugendamt belegte GU in der GmbH „Haasenburg“. Beide Einrichtungen mussten nach relativ kurzer Betriebsdauer geschlossen werden. Allein gegen die Betreiber der „Haasenburg“ liegen zurzeit 52 Strafanzeigen u.a. wg. Körperverletzung, Nötigung, etc. vor.
Die im Februar vom Senat angekündigte GU soll ausschließlich auf geflüchtete Jugendliche zugeschnitten sein, quasi als Sonderjugendhilfeeinrichtung die nach ethnischer Herkunft sortiert statt nach individuellem pädagogischen Bedarf. Sie isoliert Jugendliche mit ähnlichen Problemen, so dass sie sich gegenseitig eher aufstacheln als andere Impulse zu bekommen, bestehende Problematiken verstärken sich dadurch eher als dass sie abnehmen. Unbequeme Jugendliche aus der Öffentlichkeit zu entfernen mag höchstens dem Sicherheitsbedürfnis mancher BürgerInnen dienen- doch für immer Einschließen kann auch diese so genannte „intensivpädagogische Einrichtung Plus“ oder ein Gericht nicht. Das Kindeswohl, langfristige pädagogische Maßnahmen und die auskömmliche Ausstattung der stationären Jugendhilfe in Bremen werden also dem kurzfristigen Sicherheitsbedürfnis untergeordnet.
Wir fordern die bremische Bürgerschaft auf, geflüchteten jungen Menschen eine an den fachlichen Erfordernissen orientierte und integrative Jugendhilfe anzubieten.
Bremen bietet eine sehr differenzierte Jugendhilfelandschaft und es wäre ein gutes Signal über Bremen hinaus, eine Willkommens- und Kompetenzkultur für junge Flüchtlinge zu entwickeln und anzubieten, statt mit kontraproduktiven Freiheitsentzugsmaßnahmen wie der Geschlossenen Unterbringung von minderjährigen Jugendlichen zu reagieren.”
Antwort der grünen Bremer Sozialsenatorin Anja Stahmann vom 25.04.2016 auf Olaf Emigs Petition. Sie wurde vom Bremer Petitionsausschuss online gestellt und später wieder entfernt. “Mobilitätsbegrenzung” und “fakultative freiheitsentziehende Maßnahmen” werden darin für notwendig erachtet.