Schwierige Kinder oder schwierige Systeme?

Download als pdf: FORUM 3/2019

“…Den Zusammenhang zwischen der „Besonderung“ von Kindern und Jugendlichen und ihrer Kategorisierung und Diagnostizierung als „Problemkind“ „schwierig“, „verhaltensauffällig“ oder eben „besonders herausfordernd“ belegen Fabian Kessel und Nicole Koch anhand einer Studie von 2014 zu 11-14jährigen (!), die geschlossen untergebracht wurden.

All diesen Zuschreibungen ist gemein, dass es das Kind ist, was abweicht von einer Norm, welches „schwierig“ ist und die pädagogische Arbeit erschwert bis verunmöglicht und daher besondere Maßnahmen einzuleiten sind. Völlig aus dem Blick geraten dabei schwierige Ausgangssituationen, verunmöglichende Rahmenbedingungen oder Fehlentwicklungen im Jugendhilfesystem….”

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Denn bin ich unter das Jugenamt gekommen. Bremer Jugendfürsorge und Heimerziehung 1933 – 1945

Buch: Gerda Engelbracht, „Denn bin ich unter das Jugenamt gekommen“. Bremer Jugendfürsorge und Heimerziehung 1933 – 1945, Edition Falkenberg für den Preis von 9,90 € (ISBN 978-3-95494-160-5)

Ausstellung: Die Wanderausstellung „Denn bin ich unter das Jugenamt gekommen“. – Bremer Jugendfürsorge und Heimerziehung 1933 – 1945 und das Begleitbuch sind das Ergebnis eines Forschungsprojektes, das im Auftrag des Diakonischen Werkes Bremen e.V. durchgeführt wurde. Bei Interesse, die Ausstellung zu zeigen, wenden Sie sich bitte an:Dr. Jürgen Stein. Verbandskoordination Diakonisches Werk Bremen e.V. Telefon +49 421-163 84 16Mobil +49 1629-734330 stein@diakonie-bremen.de

Kritik am Vorwort: In dem Vorwort der grünen Bremer Sozialsenatorin Anja Stahmann zu dem Buch „Denn bin ich unter das Jugenamt gekommen“, wird zwar zu “Wachsamkeit gegenüber geschlossenen Systemen in der Jugendhilfe” aufgerufen, aber diese selbst nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Sie meint, der staatliche Schutzauftrag und die Förderung von Kindern in geschlossenen Einrichtungen könne durch “…Beteiligung, Partizipation, offene Strukturen oder die Zusammenarbeit mit den Herkunftsfamilien der betroffenen Kinder und Jugendlichen” gewährleistet werden. Ihr Argument ist paradox, denn wie sollen in Geschlossener Unterbringung offene Strukturen gewährleistet werden?

In der seit 2015 andauernden Debatte für oder gegen Geschlossene Unterbringung in Bremen hat sich Frau Stahmann mehrfach öffentlich für Phasenmodelle positioniert (und dies bis heute nicht widerrufen): Für 3-Stufen Einrichtungen: 1. Stufe geschlossen, 2. Stufe fakultativ, 3. Stufe offen. Sie gab zu, dass „…wir [Jugendamt Bremen] … auch einige der bundesweit 400 Heimplätze belegen [in geschlossenen Heimen in Deutschland]. Sie favorisierte eine „intensiv-pädagogische Einrichtung plus“ mit ca. 20 Plätzen, auch “Intensivpädagogische Komplexeinrichtung” genannt.

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Ehemaliger Sozialstaatsrat FREHE reicht im Juli 2016 eine Petition ein gegen den Bau einer Geschlossenen Jugendhilfeeinrichtung

Der ehemalige grüne Staatssekretär im Bremer Sozialressort (2011-2015) Horst Frehe reichte nach seinem Ausscheiden aus der Landesregierung im Juli 2016 diese Petition ein: “Keinen Bau einer geschlossenen Unterbringung (GU) für Jugendliche in Bremen – stattdessen Instrumente des Jugendhilfesystems im Umgang mit delinquenten Jugendlichen ausbauen.”

Frehe im Weserkurier vom 13.07.2016“Wir wollen jetzt Druck außerhalb der Parteien und der Politik aufbauen, denn der Senat hält an der geschlossenen Unterbringung fest, obwohl man eigentlich weiß, dass es falsch ist. Es geht auch um Stimmungsmache, die immer wieder gezielt eingesetzt wird. Man hat das Problem der geflüchteten Jugendlichen, die Ärger machen, weg von den Bereichen Justiz und Inneres und hin zum Sozialressort geschoben. Die Jugendhilfe sollte das Problem lösen.”

Im bremischen Haushalt 2016/17 wurden 100.000,- Euro an Planungskosten angesetzt. Die nicht unerheblichen Kosten für die “Baureifmachung” des lange leerstehenden ehemaligen JVA Geländes im Blockland (Abriss) wären gewaltig gewesen. Der Neubau sollte über “Investoren” finanziert werden. Das erinnert an amerikanische Privatgefängnissysteme !?

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Bremer Jugendhilfe-Träger schlagen neue Strategie vor.

Im November 2015 starteten Bremer Jugendhilfeträger eine alternative Initiative zum professionellen Umgang mit den “auffälligen Jugendlichen”. In den unten verlinkten Weserkurierartikeln wird ausführlich berichtet.. Carolin Becker (Projektleiterin der Hamburger Koordinierungsstelle) schilderte dabei die guten Erfahrungen damit im Vorfeld geplanter Unterbringungen.

Carolin Becker: “Bei uns kommen Mitarbeiter von sechs Trägern der Jugendhilfe alle 14 Tage für vier Stunden zusammen. Dann sprechen wir gemeinsam über die Fälle der Jugendlichen und laden dazu interdisziplinär Gäste ein, Experten, die den Jugendlichen kennen: Betreuer, Drogenberater, Jugendpsychiater, Jugendamtsmitarbeiter. Gemeinsam versuchen wir, alle Informationen zusammenzutragen und uns in den Jugendlichen hineinzuversetzen, um herauszufinden, was er persönlich braucht.”

http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadtreport_artikel,-Initiative-fuer-auffaellige-Jugendliche-_arid,1261350.html

http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadtreport_artikel,-Ohne-Kooperation-geht-es-nicht-_arid,1265626.html

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Die sog. “Akademie Lothar Kannenberg”, die in Spitzenzeiten 1000 junge Menschen in Bremen betreute, war im Oktober 2017 pleite.

Ausgerechnet die schwarze Pädagogik (konfrontativ/entwürdigend) von Lothar Kannenberg, der als Berater auch Kontakt zu der Skandaleinrichtung Friesenhof in Schleswig Holstein hatte, wurde mit seiner “Akademie” nach Bremen geholt, um in der Hochzeit 2015-16 bis zu 1000 junge geflüchtete Menschen in Bremen zu betreuen. Eine öffentlicher Diskurs seines pädagogischen Konzeptes wurde, falls überhaupt vorhanden, durch Nichtveröffentlichung verhindert.

Für die Betreuung der im Herbst 2017 verbliebenen ca. 140 unbegleiteten jugendlichen Ausländer (umA) in der “Akademie” musste 2018 eine Anschlussperspektive her. Die ca. 230 Beschäftigten waren für 3 Monate durch die Insolvenzkasse der Agentur für Arbeit gesichert. Bremer Steuergelder in Höhe von ca. 4 Mio. Euro mussten abgeschrieben werden, während gleichzeitig die Freizeitheime und die offenen, präventiven Angebote wegen Unterfinanzierung seit Jahren stöhnen. Es bleiben viele Fragen an das grüne Sozialressort. Hier sind alle Fragen und alle Antworten (Deputationssitzung 30.11.2017) nachzulesen.

Die TAZ vom 8.11.2017 und der Weserkurier vom 3. Nov. 2017 berichten ausführlich, auch über die “Aktuelle Stunde” in der Bremer Bürgerschaft.

Ca. 700 unbegleitete minderjährige Ausländer (umA) wurden in Bremen im November 2017 noch insgesamt in verschiedenen Einrichtungen in der Jugendhilfe betreut. Die Auslastung in den Einrichtungen sank im Laufe der letzten zwei Jahre auf 70% mit entsprechenden finanziellen Konsequenzen. Die sog. “Akademie Lothar Kannenberg”, von der Landesregierung als angeblicher “Retter in der Not” ermuntert, hatte nur auf dieses Betätigungsfeld gesetzt. Sie durften mit Standards in der Jugendhilfe/Notunterbringung arbeiten, die die Üblichen weit unterschritten. Friesenhof-Inhaberin Janssen nahm schon 2005 Kontakt mit dem Ex-Boxer Lothar Kannenberg auf, und holte ihn 2013 vorübergehend als Berater in ihr Haus.

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Hand- und Fußfesseln können keine Jugendhilfe und nicht Kindeswohlsicherung sein!

Und doch: Das Jugendamt Bremen griff gegenüber jugendlichen Schutzbedürftigen (minderjährige Geflohene) , die sich einer umstrittenen Verteilungsregel nicht beugen wollen, zu Gewalt. Und die Innere Mission, die die Einrichtung betreibt, kooperierte. Dagegen wurde demonstriert, wie die TAZ vom 5.2.2020 berichtet.

Der Flüchtlingsrat und Fluchtraum Bremen e.V. haben am 14.01.2020 einen Offenen Brief an die Senatorin für Soziales, die Sozial-Deputation sowie den Jugendhilfeausschuss geschrieben, damit diese Gewaltanwendung gegen schutzbedürftige Jugendliche sofort gestoppt und das Kindeswohl nicht weiter gefährdet wird.

Zum Hintergrund: Im Januar 2020 wurde ein 17-jähriger unbegleiteter geflüchteter Bewohner der Jugendhilfe-EAE Steinsetzer Straße unter Anwendung körperlicher und psychischer Gewalt in eine andere Jugendhilfeeinrichtung nach Brandenburg verbracht. Ca. 10 Polizist*innen stürmten gegen 6 Uhr morgens in sein Zimmer, nötigten ihn sich anzuziehen und legten ihm Handschellen an. Danach verbrachten sie ihn gegen seinen erklärten Willen gewaltsam in eine andere Jugendhilfeeinrichtung. Die Handschellen wurden dem 17-Jährigen erst nach der mehrstündigen Fahrt im Polizeitransporter in Brandenburg wieder abgenommen. Bereits im Oktober 2019 war eine solche Verteilungsentscheidung gegen einen 16-Jährigen gewaltsam und mit Handschellen durchgesetzt worden.

Mehr Infos:  https://www.fluechtlingsrat-bremen.de/2020/01/jugendamt-laesst-handschellen-anlegen/

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Fragen an den Bremer Senat: Haben wir in Bremen ein Heim mit Teilschließung und mit Phasenmodell?

Fragen an den Bremer Senat

Haben wir in Bremen Kinder- und Jugendheime mit Teilschließung?
Haben wir in Bremen Heime, wo Token- und Phasenmodelle eingesetzt werden?
Haben wir in Bremen eine geschlossene Einrichtung für junge Menschen?
Wie viele junge Menschen werden in (teil)geschlossenen Einrichtungen außerhalb Bremens untergebracht?

Eine Präzisierung der Fragen und Erläuterung der dazugehörigen Anlässe findet sich in dieser pdf zum Download

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Anhang: Entwicklung außerfamilialer Unterbringungen Bremer Kinder in und außerhalb Bremens 2005-2018. Trotz hehrer Absichten (“Bremer leben in Bremen”) erfolgen seit Jahrzehnten ein Großteil der Heimunterbringungen außerhalb Bremens, darunter auch in inzwischen nicht mehr existenten Skandaleinrichtungen weit weg. Die Bremer Heimaufsicht /das Bremer Jugendamt / die für das Kindeswohl zuständigen fallführenden SozialarbeiterInnen hatten bisher keinen Anteil an der Aufdeckung der Missstände in den genannten Einrichtungen; schon allein wegen der räumlichen Distanz. Diese Kindeswohl gefährdenden staatlichen Strukturen werden seit Jahren kritisiert.

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Karuna-Geschäftsführer Jörg Richert fordert die Schließung aller Gruppen im Heim Neustart in Jänschwalde

Wie die TAZ vom 18.03.2020 berichtet, wurde kürzlich die Schließung zweier Wohngruppen der Einrichtung “Neustart” in Jänschwalde in Brandenburg verfügt. Der Geschäftsführer einer nahegelegenen Einrichtung (Wohngruppe für Jugendliche in Not im Bahnhof Jamlitz, dem Justus-Delbrück-Haus) kritisiert in dem TAZ-Interview, dass die Teilschließung nicht ausreicht. “Wie kann es sein, dass in einer Einrichtung Fenster verklebt, Stühle und Betten angeschraubt sind und man sich verdienen muss, mit den eignen Eltern zu telefonieren?” Solche Phasenmodelle seien das Gegenteil von Pädagogik.

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Der Vollzug des Schweigens – Konzeptionell legitimierte Gewalt in den stationären Hilfen

Die letzte größere Veranstaltung in Bremen zu dem Thema (mit historischem Bezug) fand am Do 4.12.2018 // 19:00 Uhr im Haus im Park (Bremen Ost) statt. Titel: Verschwiegene Gewalt – Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in den stationären Hilfen der Gegenwart, mit Friederike Lorenz, M.A., Erziehungswissenschaftlerin und Sozialarbeiterin, FU Berlin.

Machtmissbrauch und Gewalt durch Mitarbeiter*innen in der Heimerziehung sind kein historisch überwundenes Thema, sondern ein andauerndes Problem, das sich regelmäßig anhand öffentlich werdender Fälle zeigt. Der Beitrag spannt den Bogen zur Gegenwart anhand einer Studie zu einem aktuellen Fall. In diesem hat ein für zwei Wohngruppen der stationären Eingliederungshilfe zuständiges Team über mehrere Jahre hinweg systematisch Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ausgeübt. Im Vortrag wird der Frage nachgegangen, wie Gewalt und Machtmissbrauch in der gegenwärtigen Heimerziehung legitimiert werden und wie dabei ein Verschweigen der Gewalt in organisationalen Praktiken vollzogen wird.

Das Buch zu dem Thema: https://link.springer.com/book/10.1007%2F978-3-658-30299-3

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Dressur zur Mündigkeit? Über die Verletzung von Kinderrechten in der Heimerziehung

Die letzte größere gegen die GU organisierte, und bundesweit ausstrahlende, Konferenz fand als Tribunal “Dressur zur Mündigkeit? – Über die Verletzung von Kinderrechten in der Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland” – am 30. Oktober 2018 von 14-21 Uhr im Wichernsaal des “Rauhen Hauses” an der Evangelischen Hochschule in Hamburg statt. Das Tribunal ist in einer Buchveröffentlichung ausführlich dokumentiert, die Anfang 2020 im Verlag Beltz Juventa erschienen ist:

Lea Degener | Timm Kunstreich | Tilman Lutz | Sinah Mielich | Florian Muhl | Wolfgang Rosenkötter | Jorrit Schwagereck (2020): Dressur zur Mündigkeit? Über die Verletzung von Kinderrechten in der Heimerziehung, Beltz Juventa, Weinheim Basel

Die Verletzung von Kinderrechten in der Heimerziehung wird gemeinhin als überwunden angesehen. Das in diesem Band dokumentierte Tribunal über die Verletzung von Kinderrechten, das im Herbst 2018 in Hamburg stattfand, zeigte jedoch das Gegenteil: Auch gegenwärtig werden systematisch Disziplinierungs- und Degradierungstechniken in Einrichtungen der Jugendhilfe angewandt.
Dieser Band dokumentiert die Aussagen von Betroffenen und Sachverständigen, analysiert Hintergründe und Dimensionen dieser Situation und diskutiert Schritte zu ihrer Überwindung.

Der Band ist gebunden und als eBook erhältlich.

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